Interview mit Seminarleiter Mario Sembritzki
Wie würden Sie die Bedeutung von Fehlerstromschutzeinrichtungen (RCD) in elektrischen Installationen beschreiben? Welche Rolle spielen sie bei der Gewährleistung der Sicherheit?
Fehlerstromschutzeinrichtungen (RCD) sind essenziell für die elektrische Sicherheit. Sowohl der Personen- als auch der Brand- und Anlagenschutz kann mit der passenden Fehlerstromschutzeinrichtung, z.B. einem Fehlerstromschutzschalter (RCCB, FI-Schalter), erreicht werden. Heutzutage ist mindestens eine RCD in nahezu jeder elektrischen Verteilung vorhanden und trägt dazu bei, die Nutzung von Strom sicherer zu machen.
Seit ihrer Einführung haben sich RCDs technologisch weiterentwickelt. Welche Fortschritte wurden erzielt, und welche Auswirkungen haben diese Verbesserungen auf die Sicherheit und Effizienz elektrischer Anlagen?
Die ersten RCDs wurden für Verbraucher entwickelt, die im Fehlerfall nur einen sinusförmigen Fehlerstrom aufweisen durften (Typ AC).
Durch die technische Weiterentwicklung der Verbraucher stiegen auch die Anforderungen an das Auslöseverhalten von RCDs. Deshalb gibt es heute verschiedene Typen von RCDs, die auf unterschiedliche Fehlerströme ansprechen. Diese Vielfalt erhöht die Sicherheit und Effizienz elektrischer Anlagen.
In komplexen elektrischen Anlagen ist die korrekte Integration von RCDs oft eine Herausforderung. Welche Faktoren müssen bei der Auswahl und Platzierung von RCDs berücksichtigt werden, um optimale Sicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig den normalen Betrieb nicht zu stören?
Neben dem Nennstrom und dem Bemessungsdifferenzstrom spielt bei der Auswahl der passenden RCD der Fehlerstromverlauf eines Betriebsmittels eine wichtige Rolle. Können z.B. glatte Gleichfehlerströme auftreten, muss eine RCD des Typs B (allstromsensitiv) vorgeschaltet werden. Sind glatte Gleichfehlerströme ausgeschlossen, jedoch Mischfrequenzen möglich, dann kann z.B. eine RCD des Typs F ausreichend sein. Die Norm DIN-VDE 0100-530 beschreibt dies sehr übersichtlich in Tabellenform. Bei einzelnen Herstellern gibt es zusätzlich eine Auswahlhilfe z.B. in Form einer App.
In Bezug auf die Empfindlichkeit und Auslöseschwellen der RCDs – wie können diese präzise eingestellt werden, um eine rechtzeitige Fehlererkennung zu gewährleisten und gleichzeitig Fehlauslösungen zu minimieren?
Eine RCD sollte immer entsprechend des Schutzziels ausgewählt werden. Sollen z.B. laienbedienbare Steckdosen geschützt werden, dann muss eine RCD mit einem Bemessungsdifferenzstrom von maximal 30 mA vorgeschaltet werden (zusätzlicher Schutz – Personenschutz). Soll lediglich der Brandschutz bei einer fest angeschlossenen Maschine erreicht werden, so kann eine RCD mit einem Bemessungsdifferenzstrom vom 300 mA (Brandschutz) ausreichend sein. Die Auswahl der entsprechenden Auslösecharakteristik muss dann anhand der angeschlossenen Betriebsmittel erfolgen. Um Fehlauslösungen zu minimieren, sollte der betriebsbedingte Ableitstrom der angeschlossenen Betriebsmittel maximal dem 0,3-fachem des Bemessungsdifferenzstromes entsprechen. Bei einer RCD mit 30 mA sind das also maximal 9 mA. Auch zusätzliche Funktionen wie Kurzzeitverzögerung, Heavy Duty Ausführungen (HD) oder Selektivität können die Anlagenverfügbarkeit ebenfalls deutlich erhöhen.
Wie wirken sich Umgebungsfaktoren wie Feuchtigkeit, aggressive Chemikalien und elektromagnetische Interferenzen auf die Leistung und Langlebigkeit von RCDs aus? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um diese Herausforderungen zu bewältigen?
In ihrer ursprünglichen Form besteht eine RCD aus einem Summenstromwandler, einem elektromagnetischen Auslöser und einem Schaltschloss mit Schaltkontakten. Herzstück der RCD ist der Auslöser, welcher sich aus einer Kupferspule und einem Anker zusammensetzt. Feuchtigkeit und Chemikalien können z.B. Patina am Auslöser verursachen und dadurch dessen Funktionsfähigkeit stark beeinträchtigen. Technische Lösungen können dies verhindern: RCDs in „Heavy-Duty (HD)“-Variante sind für raue Umgebungsbedingungen ausgelegt und somit bei Feuchtigkeit, Schadgasen, Staub und Temperaturschwankungen deutlich widerstandsfähiger.
In Bezug auf den internationalen Markt – gibt es Unterschiede in den Normen und Vorschriften für Fehlerstromschutzeinrichtungen? Wie kann eine einheitliche internationale Normierung erreicht werden, um die Sicherheit weltweit zu verbessern?
In internationalen Normungsgremien (IEC) aber auch auf Europäischer Ebene (CENELEC) wird angestrebt, dass sowohl Produktnormen als auch Errichtungsbestimmungen für alle Mitgliedsstaaten einheitlich verfasst werden. Dabei lässt es sich nicht immer vermeiden, dass länderspezifische Abweichungen berücksichtigt werden müssen. Das kann historisch bedingt sein oder an natürlichen Gegebenheiten liegen, wie z.B. geologische Besonderheiten, welche die Erdungsverhältnisse wesentlich bestimmen. In den meisten Mitgliedsstaaten sind heutzutage mindestens RCDs des Typs A vorzusehen. In einigen europäischen Nachbarländern ist die Verwendung von RCDs des Typs AC noch zulässig. Das wird sich zukünftig sicherlich ändern, um in allen Ländern gleiche Bedingungen und damit eine vergleichbare Sicherheit zu schaffen.
Welche Rolle spielen Schulungen und Weiterbildungen für Elektroinstallateure, um das Verständnis für RCDs und ihre korrekte Anwendung zu fördern? Welche Initiativen sind erforderlich, um das Bewusstsein für die Bedeutung von RCDs zu stärken?
Die Bandbreite der Elektrotechnik hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Früher ging es hauptsächlich im Bereich der Handwerksinstallation um die Energieversorgung von Haushalten und deren Verbrauchern. Heute ist das immer noch eine Kernkompetenz, jedoch erweitert um deutlich mehr Kommunikations-, Sicherheits- und SmartHome-Technik. Um all diesen vielfältigen Anforderungen des Marktes gerecht zu werden, sind kontinuierliche Schulungen für Elektrofachkräfte und Unternehmen nicht mehr weg zu denken. Gerade im Bereich der RCDs hat sich in den letzten Jahren einiges getan, so dass hier das Bewusstsein weiter gestärkt werden muss. Dazu bieten unterschiedliche Intuitionen und auch Hersteller Schulungsprogramme an. Zusätzlich dazu kann aber auch ein Unternehmen z.B. durch eine kurze Sicherheitsunterweisung der Monteure sehr positive Effekte erzielen.